BEST PRACTICE

Tobias Almasi: vom Tänzer zum Humanmediziner

von Arnd Wesemann 
Sein Großvater kam aus Ungarn. Seinen Nachnamen, Almasi, müsse man eigentlich Olmaschi aussprechen. Macht aber keiner. Der 35-Jährige wuchs in der Nähe von Siegen auf, wo der Ex-Solist Hans Carrasz eine private Tanzschule betrieb. Auch dessen Name klang ungarisch. In Wahrheit stammte der Gründer des Siegener Jugendtanz- theaters aus Holland. Selbst die Bezeichnung Jugendtanztheater ist irreführend. Tobias Almasi, Sohn einer Tänzerin und eines Architekten, lernte ganz klassisch Ballett, neben seiner Zeit am Gymnasium. Das hieß: Spießrutenlauf vor Mitschülern, und unter Tänzern nur als Amateur zu gelten, weil ohne staatliche Ausbildung. Er aber wollte wirklich zur Bühne, ohne das übliche Ballettinternat, das so gern dafür sorgt, dass sich die Tänzer „in the box“ wähnen: in Sicherheit. Heute hat auch Tobias Almasi diese eine Sehnsucht: nach Sicherheit. Weil er nie gelernt hat, die Dinge leicht zu nehmen, studiert er heute das Schwerste: Humanmedizin an der Berliner Charité, ein sechsjähriges Studium. Es ginge wahr- lich einfacher. Doch er hat sich gegen die Klassiker unter den Transition-Berufen entscheiden: Nicht Physiotherapie, Osteopathie oder Heilpraktiker. Er will die Sache richtig anpacken, zumal es sich, Stichwort Sicherheit, auch in finanzieller Hinsicht lohnt. Er studiert nun Orthopädie, Chirurgie, Fachrichtung Tanzmedizin. Nach seiner ersten Ausbildung damals tanzte der frisch gebackene Abiturient bei Vladimir Malakhov in Berlin vor, flog erst „in vorletzter Runde raus“. Er konnte also tanzen, ging nach Schwerin, wurde dort Kompaniesprecher. In der nächsten Station, in Halle an der Saale unter Ralf Rossa, hatte er als Tänzer den zusätzlichen Job eines Sicherheits- beauftragten. Das ist einer, der in nicht immer deutsch- sprachigen Kompanien den Kollegen dabei hilft, Arztbesuche zu begleiten und Reha-Anträge zu stellen, etwa bei der Deutschen Rentenversicherung. Anträge auf stationäre Klinik sind dort kein Problem. Aber eine der besten Kliniken für Tänzer ist eine ambulante: medicos. Auf Schalke in Gelsenkirchen. Die Orthopädie dort verantwortet Elisabeth Exner-Grave, eine Tanzmedizinerin. Sie ist Mitschuld daran, dass er nun selbst Mediziner werden will. Hartes Brot. Denn als Tobias Almasi 2014 den Tanzberuf aufgab, war er dreißig. BaföG gibt es nur bis zum Alter von 29 Jahren. Das bedeutet: Studieren ohne Mittel, sechs Jahre lang. Er lebt von Wohngeld, heißt: von der vollständigen Offenlegung aller Kontobewegungen, und von einem Stipendium der Stiftung TANZ. Ein Jahr vor der Promotion bedeutet das ein äußerst bescheidenes Leben mit viel Paukerei. Als Tänzer hatte er Schritte schnell gelernt. In der Medizin hilft ihm eher die Logik, um die komplexen Zusammenhänge zu erfassen. Seine Doktormutter ist Eileen Wanke in Frankfurt/Main, Gründungsmitglied von „Tamed“, dem Verband der deutschen Tanzmedizin. Thema seiner Promotion: Medizinische Daten von Studierenden an staatlichen Tanzhochschulen auszuwerten, um Methoden der Früherkennung zu erforschen. Niemand soll Tanz studieren, der körperlich nicht dazu geeignet ist. „Sollte es medizinische Bedenken zur Eignung als Tänzer geben, dann tut das nur einmal weh, sonst ein Leben lang“, sagt Tobias Almasi, und lacht: „Wer trotzdem tanzen will, macht es wie ich. Und geht an eine private Ballettschule.“

Cynthia Barcomi: Von der Tänzerin zur Geschäftsführerin

von Hartmut Regitz

Am Backofen steht Cynthia Barcomi schon lange nicht mehr. Aber jeden Morgen lässt sie sich Aufnahmen des Gebäcks auf ihr Handy schicken. „Ich muss das immer kontrollieren“, erklärt sie frühmorgens im Deli. „Bei aller Routine schleichen sich da schnell Fehler ein.“ Das aber darf nicht sein, schließlich sind ihre Cookies Kult. Nein, als Babysitterin verstünde sie sich nicht. Auch besäßen ihre Mitarbeiter ein sicheres Qualitätsbewusstsein. „Aber weil ich meine Spezialitäten selbst entwickelt habe, erkenne ich Veränderungen früher.“ Dass Cynthia Barcomi Tänzerin gewesen ist, merkt man ihr nicht auf Anhieb an. Sie spricht ein schnelles Deutsch mit einem leichten Akzent, der einen sofort aufhorchen lässt, und besitzt einen Sachverstand, den sie in Büchern und regelmäßigen Fernsehbeiträgen durchaus vergnüglich zu dokumentieren weiß. Eigentlich stammt sie aus Seattle, und dort erwachte auch ihr Interesse für den Tanz, das sie später erst in einem Internat, dann als Studentin der Philosophie und Theaterwissenschaften professionell vertiefen konnte.“Wir haben an der Columbia University zusammen mit Tänzern der José Limón Dance Company gearbeitet“, erinnert sie sich, „und beispielsweise Limóns ‚Partita‘ ein – studiert“ : Erfahrungen, die ihr ganz nebenbei das eigene Potenzial bewusst machen und sie in ihrer Überzeugung bestätigen, „dass man mit seinen Pfunden wuchern muss. Man muss aus den Gaben, die man hat, etwas machen.“ In New York hat sie Gelegenheit, Pina Bausch zu sehen. „Ihre Art eines abstrakten Tanztheaters faszinierte mich.“ Und zum ersten Mal steht sie morgens auf und sagt sich: „Ich habe einen Plan. Ich ziehe nach Berlin.“ Und das tut sie denn auch ohne Wenn und Aber und ohne ein Wort Deutsch zu können. Cynthia Barcomi tanzt bei Regina Baumgart, ist bei Projekten von Frauke Havemann und William Johnson dabei, wirkt auch mal bei Sasha Waltz im Rathaus Schöneberg mit. So hätte es eigentlich noch eine Zeitlang weitergehen können. Doch mit dreißig wird sie wieder Mutter. Sie weiß, welcher Kraftanstrengung es bedarf, wieder in Form zu kommen. „Aber ich habe nicht das Gefühl gehabt, dass ich das unbedingt machen muss, und das muss man als Künstler haben. Ich sagte mir: Nein, ich kann auch anderes. Beispielsweise Kaffeebohnen rösten; der Geruch hat etwas Sinnliches. Und ich wollte ein bisschen Gebäck dazu reichen, weil ich immer gern gebacken habe.“ Naiv, wie sie damals noch ist, will sie sich einfach umschulen lassen. „Doch der zuständige Beamte hat mich nur angeschaut und gesagt: ‚Neee. Gastronomie ist Männersache. Das kriegen Sie nie hin. Vergessen Sie‘s.‘“ So etwas lässt sich eine Barcomy nicht zweimal sagen. Derart herausgefordert, leistet sie sich den Luxus, „lernen zu dürfen“, wie sie sagt, „ohne sich selbst dabei eine Blöße zu geben.“ Schließlich ist es nicht einfach, ganz und gar ungewöhnliche Ideen zu vermitteln und gleichzeitig Leute zu führen, die vielleicht über mehr Berufserfahrung verfügen als man selbst. Cynthia Barcomi hat es geschafft. Heute leitet sie sowohl Barcomi’s Café & Kaffeerösterei in Berlin-Kreuzberg und Barcomi’s Deli in den Sophie-Gips- Höfen. Und lässt sich zur Sicherheit jeden Morgen frühmorgens Fotos der frisch gebackenen Cakes and Cookies schicken.

István Simon: Vom Tänzer zum Kulturmanager

von Martin Morgenstern
2012 sitzen sich der Tänzer István Simon und der Choreograph Jiří Kylián auf der Bühne der Semperoper gegenüber. Die Kompanie möchte mehr zu »Bella Figura« erfahren. „Der Mensch, vom Weibe geboren, lebt kurze Zeit und ist voll Unruh“, zitiert Kylián aus dem Buch Hiob. Und fügt nachdenklich an: „Man kann Frau und Mann nicht völlig trennen, das ist unmöglich. Denn in jedem Mann ist etwas weibliches, und in jeder Frau ist etwas männliches. In jedem dunklen Yin ist ein weißer Punkt, und in jedem hellen Yang ist ein schwarzer Punkt, so sind wir einander nah…“ Über Erotik sprechen Kylián und Simon, über Verletzlichkeit und Ehrlichkeit. „Katharsis im Theater“, hakt Simon nach, „erfahren wir heute leider weniger als je zuvor, aber bei Ihren Choreographien spürt man sie. Es geht um die Integrität der Persönlichkeit. In der heutigen Welt sind wir so gespalten. Wir müssen auf verschiedenen Ebenen funktionieren. Wir müssen Persönlichkeit in uns abtrennen.“ Simon schluckt. „Rationalismus, Emotion, Philosophie, all das ist in Ihren Stücken enthalten. Konstruieren Sie das, oder passiert es spontan?“ „Als ich in Ihrem Alter war“, antwortet Kylián, „lernte ich alles auswendig. Weil ich eine Todesangst davor hatte, dass mir jemand sagen würde, ich würde etwas nicht wissen. Viel interessanter ist es aber, sich vorzubereiten und alles zu wis- sen – es in eine kleine Tasche zu tun, die man neben sich abstellt. Und dann bitte ich die Tänzer, ihre eigenen Erfahrungen einzubringen. Ihre Emotionalität. Und ihre eigene Art, die Dinge zu verstehen. Das ist viel interessanter – aber man kann es erst viel später im Leben so machen.“ István Simon hat nach diesen Freiheiten, nach der inneren Selbstbefragung im strengen Korsett einer Choreographie, immer gesucht. Ich erinnere mich an ein Gespräch mit ihm, ich wollte gern verstehen, welchen Anteil die individuelle Tänzerpersönlichkeit am Gesamteindruck eines choreographierten Werks hat. Ganz banal auch einfach, wie austauschbar ein Tänzer ist. Simon meinte, da in den letzten Jahren eine bedauerliche Veränderung in der Tanzwelt beobachtet zu haben: die Verlagerung der Schwerpunkte weg der von einfühlsamen individuellen Ausdeutung einer Rolle hin zur körperlich perfektionierten Ausführung. Von heutigen Tänzern würden kaum künstlerische Teilhabe, stattdessen technische Fähigkeiten, schiere ‚Physikalität‘ (physicality) erwartet. Einige Zeit nach unserem Gespräch wurde am örtlichen Arbeitsgericht eine Klage auf Wiedereinstellung des Tänzers nach einer Beurlaubung beim Semperoper Ballett abgewiesen, und noch einige Tage später sprach die Insti- tution eine außerordentliche Kündigung an ihn aus. Der Fall ging durch die Presse, einer der ersten deutschen #metoo Fälle überhaupt, wenn man den sehr komplexen Sachverhalt so herunterbrechen mag. Bis heute sind nicht alle Einzelheiten öffentlich. Unter dem Strich bleibt: ein erfolgreicher Tänzer, international prämiert, Erster Solist an großen Häusern, hatte sich an seinen Ballettchef gewandt und um Hilfe gebeten. Er sah sich Schikanierung durch einen Ballettmeister ausgesetzt, über den sich bereits andere Tänzer beschwert hatten. Sein Arbeitgeber reagierte hilflos; vielleicht kann man das mit diesem Wort zusammenfassen. Eine ‚gute Figur‘ machte in der Aufarbeitung des Falles keiner. Für die Semperoper schien es einfacher, einen einzelnen Tänzer loszuwerden, als die tagtäglichen Routinen zu hinterfragen. Ein verdruckstes Gespräch des Intendanten, des Ballettchefs, des Ballett- Betriebsdirektors und der Justiziarin des Hauses mit ausgewählten Pressevertretern sollte die Sicht des Hauses darlegen; mehr als Schadensbegrenzung war da aber schon nicht mehr möglich. Die Karriere des Ersten Solisten István Simon schien an diesem Punkt vorbei zu sein. Tänzerisch ging es für Simon trotzdem weiter, noch während die verschiedenen Klagen verhandelt wurden; die internationale Tanzszene schien mehrheitlich auf seiner Seite zu sein und unterstützte ihn mit Wortmeldungen und Einladungen. Simon konzentrierte sich fortan auf seine freiberufliche Karriere. Er wurde Residenz-Gastkünstler beim Ballett Dortmund, Gastkünstler des Kremlballetts, beim Teatro de San Carlo Neapel und beim Slowenischen Nationalballett, tanzte auf Galas und Festivals. „Ich hatte keine Ahnung, ob ich meine Unschuld beweisen können würde, und wir konnten wegen unseres behinderten Kindes nicht planen, in eine andere Stadt zu ziehen, deshalb dieser Plan B“, erklärt der Tänzer. „Dies war eine gute Ent- scheidung, denn obwohl es später am Gericht bewiesen wurde, dass ich nichts falsch gemacht hatte, habe ich meinen Job an der Semperoper nie zurückbekommen. Das war eine schwierige Lektion: Unsere tänzerische Karriere ist unglaublich fragil, weil sie immer von der Stimmung einiger Menschen abhängt, die enorme Macht haben.“ Teil seines Backup-Plans war es, auch akademisch wieder in Form zu kommen. Nachdem ihm die Ungarische Universität für Tanzkunst 2018 sein pädagogisches Masterdiplom verlieh, warf er sich mit Unterstützung der Stiftung TANZ in ein neues, englischsprachiges Masterstudium an der Universität Lüneburg: „International Arts and Cultural Management“. Der Kulturmanager István Simon steht kurz vor dem Abschluss. 2020 möchte er ein weiters Studium in deutscher Sprache beginnen. Die nötigen Sprachtests hat er am Goethe-Institut Dresden bereits absolviert. Und auch in die Praxis stürzte sich Simon wieder. Ab Oktober 2018 unterstützte er die Ballettdirektorin der Chemnitzer Oper in der Verwaltung, gab Ballettklassen bei der Kompanie, hielt Proben ab und war in einigen Bühnenproduktionen als Gastsolist zu erleben. Seit einem halben Jahr ist er zudem für Öffentlichkeitsarbeit und Organisation bei der Stiftung TANZ tätig. Ein weiterer, wichtiger Meilenstein im Übergangsprozess seiner Karriere war, als er anfing, sich im Tourmanagement zu engagieren. Die erste Produktion, die Simon federführend betreute, war „Winterreise“, ein von Andreas Heise choreographierter Kammerabend mit der Opernsängerin Juliane Banse und dem Pianisten Alexander Krichel. Erst kürzlich hat Simon in Zusammenarbeit mit dem Goethe- Institut Pakistan und der Botschaft der Bundesrepublik Deutschland in Islamabad für diese Produktion eine Reise nach Pakistan organisiert. „Es war ziemlich hart für mich, eine freiberufliche Tanzkünstlerkarriere aufzubauen und gleichzeitig diese neuen Berufswege zu ergründen,“ sagt Simon. „Die Stiftung TANZ hat mir sehr geholfen zu erken-nen, dass es ‚da draußen‘ so viel mehr gibt als nur die tänzerische Festanstellung, und sie hat mich persönlich und finanziell sehr unterstützt.“ Die Hauptklage gegen seinen früheren Arbeitgeber endete mit einer außergewöhnlich hohen Abfindung. Im Zuge des Vergleichs vor dem Kölner Bühnenoberschiedsgericht ließ die Semperoper auch den Vorwurf fallen, Simon habe den Ballettmeister fälschlicherweise Beschuldigungen ausgesetzt. Mit der Abfindung gründete der Tänzer am Welttanztag 2020 ein gemeinnütziges Kunst- und Gesundheits- beratungsunternehmen. Unter dem Dach von „Praetorian Projects“ geben Lehrer und Kursleiter wie Maina Gielgud, Yannick Boquin, Boglárka Simon-Hatala, Balázs Delbó oder Simons früherer Dresdner Kompaniekollege Milán Madar ihr Wissen und ihre Erfahrungen in Online-Workshops wei- ter. „Ziel der Organisation ist es, die Umwandlung von Theatern in eine für Künstler psychisch und physisch sicherere Arbeitsumgebung zu erleichtern,“ erklärt Simon. „Ich hoffe wirklich, dass diese Organisation eine Veränderung in der Welt des Theaters hervorbringen kann. Ich möchte gern dazu beitragen, in Kompanien eine Arbeitsumgebung zu schaffen, in der sich die Künstler sowohl psychisch als auch physisch sicher fühlen und weiterentwickeln kön- nen.“ Der Karriereübergang von István Simon – er ist eher als ein Entwicklungsprozess auf mehren Ebenen zu sehen. Beruflich breiter aufgestellt, mit ganz verschiedenen Perspektiven gänzlich neuer Karrierewege, hat er sich ein neues Leben aufgebaut, das sich unvermindert um seinen Traum, den Tanz, dreht. Er bringt dabei seine eigenen Erfahrungen als Tänzer ein. Seine Emotionalität. Und seine eigene Art, die Dinge zu verstehen.

Britt Folk: Von der Tänzerin zur Physiotherapeutin

von Volkmar Draeger 
Manche Karrieren starten mit Hindernissen und nehmen dann doch Fahrt auf. Britt Folks Weg begann im heimischen Bernau nahe Berlin bei einer ambitionierten Ballettlehrerin im Kreiskulturhaus. Zweimal pro Woche ging die kleine Britt ab der zweiten Schulklasse dort in den Unterricht, hörte das Lob für den Spann einer Mitschülerin, fand ihren Spann eigentlich auch gut. In der Pionierzeitung „Trommel“ sah sie eine Annonce der Palucca-Schule Dresden, sandte den Antrag ab, reiste mit dem Vindobona- Express, für sie „ein tolles Erlebnis“, zur Eignungsprüfung. Alles lief gut, bis man ihre „Engelflügel“, herausstehende Schulterblätter, entdeckte. Unverrichtet ging es da mit dem Vindobona zurück. Einige Wochen später warb in der „Trommel“ nun die Staatliche Ballettschule Berlin. In einem mehrstufigen Test setzte sich Britt im Bewerberansturm durch, erhielt eine halbjährige Probezeit, mit der Auflage zum Anti- “Engelflügel“-Training bei der Physiotherapeutin der Schule. Strahlend, doch auch traurig wegen der Trennung von den Eltern zog sie 1976 „mit meinem karierten Luftkoffer“ ins Internat ein. Täglich ging sie im Schulgebäude an den Fotos der Starabsolventen vorüber, Steffi Scherzer, Jutta Deutschland, Angela Philipp – das spornte an. Bald fiel auch Britts Talent auf. Pädagoge Stefan Lux setzte sie solistisch in seinen Schulchoreografien ein: „Was haben sie mit dem Regen gemacht?“ um atomverseuchten Regen, „Kinderkreuzzug“ zu Musik von Benjamin Britten und nach dem Gedicht „Kinderkreuzzug 1939“ von Bertolt Brecht, „Konzert für die Jugend“ als sinfonische Umsetzung des 2. Klavierkonzerts von Dmitri Schostakowitsch. Aufnahme in die Förderklasse, Vorbereitung auf nationale und internationale Wettbewerbe, so Moskau und Varna, waren die logische Konsequenz. Nach siebenjähriger Ausbildung ging Britt 1983 an die Komische Oper zu Tom Schilling, studierte dort gleich Soloparts nach, „Romeo und Julia“, „Schwanensee“, „Wahlverwandtschaften“, „Ein neuer Sommernachtstraum“, Schillings Paradewerke. Auch Birgit Scherzer, damals noch Ensembletänzerin, choreografierte für sie, beispielsweise das „Solo mit Frack und Hut“. Nach drei Jahren wechselte Britt dennoch an die Staatsoper Unter den Linden, „ich wollte meinen kindlichen Ballerinentraum von der großen Klassik verwirklichen“. Besonders die Werke von George Balanchine begeisterten sie dort, auch die Coppelia in Tom Schillings Gastinszenierung. Dann begannen die Probleme mit dem Rücken, Skoliose. Hinzu kam die Unsicherheit in dieser Aufbruchs- und Umbruchssituation: Die einst mühsam erkämpfte „Tänzerrente“ der DDR wurde im neuen Deutschland gestrichen. Umorientieren hieß da die Devise, Pädagoge in der Staatlichen Ballettschule oder Medizin, wofür sie einen Studienplatz hatte wie für das Fach Gesellschafts- und Wirtschaftskommunikation an der Hochschule der Künste. Das Abitur hatte sie bereits in der Abendschule erworben. Im Glauben an geordnete Verhältnisse machte sie dann an der Charité in einer bunt gemischten Truppe eine dreijährige Ausbildung zur Physiotherapeutin. Seit 1996 ist sie nun im Zweitberuf, fühlt sich völlig sicher, arbeitet nach mehreren Zwischenstationen in einer kleinen Privatpraxis. „Es gibt dort“, sagt sie, „nicht solch einen Massendurchlauf, alles läuft im persönlichen Kontakt mit den Patienten.“ Inzwischen hat sie sich auch mit der „Spiraldynamik“ befasst, einem Bewegungs- und Therapiekonzept aus der Schweiz, setzt dessen Erkenntnisse in der Tagesarbeit um. Und hat fast so nebenbei zum Tanz zurückgefunden: Seit einem Jahr unterrichtet sie zweimal die Woche Kindertanz in einer privaten Schule. Aus dem schüchternen Mädchen von einst ist eine selbstbewusste Frau mit ansteckend fröhlichem Lachen geworden, eine zweifache Mutter mit intakter Familie. Was beweist: Es gibt auch ein erfülltes Leben nach dem Tanz.

Peter Boch: Vom Tänzer zum Oberbürgermeister der Stadt Pforzheim

von Hartmut Regitz
Peter Boch logiert hoch oben im Neuen Rathaus. Wenn er zwischendurch mal aus dem Fenster blickt, kann er hinunter aufs Theater schauen; es liegt nur einen Steinwurf entfernt. Wäre er nicht Oberbürgermeister der Stadt Pforzheim, könnte dort womöglich sein Arbeitsplatz sein. Denn das wollte er einmal werden: Tänzer. Am besten so einer wie Friedemann Vogel, der seinerzeit in der John-Cranko- Schule eine Klasse über ihm bereits sein herausragendes Talent erkennen ließ. Boch stammt aus Waldshut, eine süddeutsche Kreisstadt unweit der Schweizer Grenze. Aufgewachsen in einer kleinen Nachbargemeinde, kommt er erstmals mit dem Tanz durch eine Kindergartenfreundin in Berührung, die er zum Ballettunterricht nach Tiengen begleitet. „Wir haben alles immer gemeinsam unternommen“, erinnert sich der inzwischen 40-Jährige. Als ihn die Lehrerin bittet, doch einfach mitzumachen, zögert er keine Sekunde – und wird „entdeckt“. Sein Talent muss auffallend gewesen sein. Jahre später akzeptiert ihn Alex Ursuliak als Eleve an der Cranko-Schule. Peter Boch lernt noch einmal Ballett von der Pike auf, erst bei Bernd Berg und Shida Mubarjakova, ab der vierten Klasse bei Konstantin Russu. Man findet ihn im Gefolge der Carabosse, die der damalige Starsolist Richard Cragun verkörpert. Und er ist bei der einmaligen „Apollo“-Vorstellung im Rahmen der Internationalen Gartenausstellung auf dem Killesberg dabei – einmal deshalb, weil sie tatsächlich nur einmal stattfindet und weil Vladimir Malakhov sie an Ort und Stelle gleich mehrfach wiederholen muss. „Ich krieg noch immer eine Gänsehaut“, so der OB, „wenn ich daran zurückdenke“. Dann der Wechsel nach München, an die Bosl-Stiftung. Boch überspringt eine Klasse, kommt direkt in die Akademie – und hat wie schon einmal zuvor in Stuttgart irgend – wann Wasser in den Hüftgelenken: ein Problem der Über – reizung, ausgelöst durch die im Ballett geforderte Auswärtsdrehung, das ihn nachdenklich stimmt. Er fragt sich: „Wenn das die Grenzen sind, die mir mein Körper aufzeigt: Muss ich da nicht meine Konsequenzen ziehen?“ Er zieht sie, bricht kurz vor dem Examen die Ausbildung ab, kehrt zurück nach Hause. „Eine harte, eine ehrliche Entscheidung“, die er bis heute nicht bereut. „Ich habe sie alleine getroffen, niemand hat mich dazu gedrängt.“ Boch bewirbt sich an die hundert Mal, aber alle Ausbildungsberufe waren bereits belegt. Doch er weiß, was ihm die Ballettschulung vermittelt hat – nämlich Disziplin und, wie er das nennt, „die Wertschätzung des Gegenübers und damit verbunden: der Dienst am Menschen“. Deshalb sieht er sich schließlich im Polizeiberuf gut aufgehoben. Boch macht alles mit, als Streifenbeamter, als verdeckter Ermittler, im Personenschutz. Nebenbei ist er noch in Stuttgart- West im Bezirksbeirat politisch aktiv – bis er begreift, das er das letztlich will: etwas gestalten. Was er denn auch tut, erst als Bürgermeister in Erpfendorf, seit 2017 als OB in Pforzheim. Ob er denn die Bühne nicht vermisst, so nahe am Theater? Peter Boch lacht. „Warum? Ich bin ja nicht zufällig beim Ballett gelandet, sondern weil ich vorgehabt hatte, ausdrucksstark eine Rolle zu verkörpern oder dadurch eine Geschichte zu erzählen. Das war in mir drin, und das ist immer noch in mir drin. Es macht mir Freude, auf einem Podium zu stehen. Als trainierter Tänzer macht man schließlich keine halben Sachen. Der Körper ist geformt. Auch der Geist. Es geht um Disziplin, um Durchhaltevermögen und immer um die Sache – um das, was man erreichen will.“

Michal Fatura: Ich will in Berlin bleiben

von Melanie Suchy

Als Michal Fatura gleich mehrere Stellenangebote der renommiertesten Werbeagenturen weit und breit bekommt, entscheidet er sich, nicht umzuziehen. „Berlin ist mein Zuhause“. Acht Jahre vorher war der Slowake hergekommen, um in einer großen deutschen Ballettkompanie zu tanzen. Seit kurzem, seit April 2015, ist er Junior Art Director. „Ich freue mich jeden Tag, zur Arbeit zu gehen.“ Er fängt dort von vorn an, von unten; bis zum Senior Director sind noch ein paar Stufen zu erklimmen. Hierarchien kennt er aus der Theaterwelt. Das sei einer seiner Pluspunkte, sagt er. Mit seinen dreißig Jahren hat er bereits eine Menge Erfahrung. Sie hat seine potenziellen neuen Arbeitgeber, die ihn zum Vorstellungsgespräch geladen hatten, beeindruckt: Der hat ja schon eine Karriere!

Hart erarbeitet. Mit zehn Jahren begann er in seiner Heimatstadt Žilina auf eigenen Wunsch mit Ballettunterricht in einer privaten Tanzschule. Als er vierzehn war, riet ihm die Lehrerin, aufs Konservatorium mit Internat in Košice zu wechseln. Er wollte eigentlich zum Wirtschaftsgymnasium, aber versuchte es mit Ballett, wurde sogar gleich in die zweite Klasse aufgenommen. „Das war zu viel, aber ich wollte es so sehr, dass ich es geschafft habe.“ Häufig hörte er, er habe zu spät mit Profiunterricht begonnen, um Ballett zum Beruf zu machen. Dieses „zu spät“ lässt den jungen Mann jahrelang an sich zweifeln, treibt ihn an zum Lernen, Trainieren, Arbeiten, „immer mehr, immer mehr“.

Er schaffte den Wechsel zur Ballettakademie in Bratislava. Abschlussnote 1. Danach wollte er weg, dahin, wo ihn niemand als „Späten“ kannte. Er bekam ein Engagement in Prag. „Eine Bestätigung“, sagt er, ein Ansporn, viel zu trainieren, auch sonntags, allein im Ballettsaal. Es waren gute Jahre, sagt Michal Fatura. Doch als bessere Rollen für ihn dran waren, musste er wegen einer Stressfraktur einige Wochen aussetzen; kurz danach fuhr er nach Berlin zu einer Audition, „Ich riskiere das“. Er wurde angenommen. Deutschland war sein Ziel gewesen, das Bayerische Staatsballett. Jetzt war es eben das Berliner.

Gruppentänzer zu sein, fand er in Ordnung, „weil ich so selbstkritisch bin“. Es lief gut. Bis ein gebrochener Fuß ihn ein halbes Jahr rauswarf. „Mein Leben war leer“, denn das Leben fand ja nur im Theater und unter Kollegen statt. Er begann, diese Ausschließlichkeit in Frage zu stellen. Bei der Rückkehr ins Ballett bekam er weniger anspruchsvolle Partien zu tanzen, das Repertoire veränderte sich, die Stimmung im Ensemble sackte. Er litt und fand keine Kraft zum Weggehen. Dann wurde sein Vertrag nicht verlängert. „Eine große Enttäuschung. Es tat weh, aber es war auch das Beste, was mir passieren konnte.“

Der 28-Jährige entschied: „Ich will in Berlin bleiben“. In eine andere Kompanie? Beim Friedrichstadtpalast schaffte er es ins Finale, gab dann die Hoffnung auf einen Ballettneuanfang auf und schaute sich anderweitig um. Er fragte einen Freund aus, der in der Werbebranche arbeitete. Das hörte sich gut an, denn schöne Dinge, das Optische und auch Humorvolle mochte Michal Fatura schon immer. Also sammelte er Tipps, suchte Schulen, fand eine Fashion Academy zu reglementiert und begeisterte sich für die internationale, bilinguale Miami Ad School in Berlin. Er bastelte eine Bewerbung, über die er heute lächelt, und fing zehn Tage nach dem Spielzeitende dort an.

Die zweijährige Schule war teuer. Mit der Berechtigung auf Umschulung wegen des Arbeitsunfalls, mit der ausgezahlten Abfindung von der Versorgungsanstalt der deutschen Bühnen, der sogenannten ‚Bayerischen’, ein bisschen Geld von den Eltern, dazu die halbierte Miete, würde es klappen, dachte er. Doch die Beziehung, die Letzteres garantierte, hielt nicht, und mit der Agentur für Arbeit verhandelte er ein Jahr lang über die Ausbildung, da seine Schule nicht auf der Liste geförderter Institutionen stand und deren durchschnittliche Tageskosten angeblich zu hoch waren. Im fehlte zwar nur noch Geld fürs zweite Jahr, das Argument zog aber nicht. Er gab auf.

Ein Schulquartal setzte er aus. Um dann Arbeitslosengeld zu beziehen, fehlten ihm 20 Tage zu den erforderlichen 12 Monaten Arbeit während zweier Jahre. „So ein Pech!“ Bei der Stiftung Tanz war er einmal gewesen, aber er wusste ja, welche Ausbildung er wollte. „Ich habe nicht weit genug gedacht“. Jetzt ging er wieder hin. „Das ist meine letzte Chance.“ Er führte lange Gespräche und bekam finanzielle Unterstützung. Inzwischen jobbte er ab und zu beim Deutschen Fernsehballett. Weil er sich aus dem Bedürfnis nach Bewegung mit Sport fit gehalten hatte, war er schnell wieder in Form dafür. „Es war schön, wieder auf der Bühne zu stehen“. Dass es Spaß machte, fühlte sich neu an. Keine leichte Arbeit, kurze Probenzeiten und viel Reisen, aber er mochte die Atmosphäre.

Die Schule war für Fatura „ein 24/7-Studium“. Die Kommilitonen konnten schon mit bestimmten Computerprogrammen umgehen, er nicht. „Da kam wieder dieses: Ich will!“ Er lacht. Abendelang arbeitete er sich durch Aufgaben, für die er heute nur noch eine Stunde bräuchte. Nach dem ersten Jahr, in dem Creative Directors großer Agenturen in der Schule Unterricht gaben, folgten Praktika in Agenturen in Peking, Prag, Berlin, dann das Bewerbungsportfolio. Der Abschluss. Mit ihm könnte er in diversen Bereichen arbeiten, doch er wollte zuerst „den klassischen Weg gehen“ und bewarb sich bei großen Werbeagenturen. Mehrere wollten ihn. Also Berlin!

„Die Transformation vom Tänzer zum Art Director“, dafür stehe das Bewerbungsbuch, in das er Photos und Sätze einfügte darüber, was er aus seinem Ballettleben mitbringt in den nächsten Beruf. Seite eins: der Blick von einer leeren Bühne in einen Zuschauerraum. Etwas geht zu Ende. Auf der letzten Seite dasselbe Photo als Bildschirmschoner: „the new chapter starts now“. Dazwischen Statements über Disziplin, Selbstkritik, Teamarbeit. Fürs Thema Kreativität wählte er das Foto von Theaterperücken auf Holzköpfen. „About characters“, titelte er dazu. „Jede Marke, jeder Kunde hat einen anderen Charakter, es ist ganz unterschiedlich, was er jeweils braucht, welches Aussehen, und was für einen mood er ausdrücken will“, erklärt Fatura. „Wie beim Tanzen: In eine Rolle zu steigen, das hilft bei der Interpretation. Und bei der Kreativität.“

 

Luisa Sancho Escanero: Immer auf der Suche

von Melanie Suchy

Um ihr Masterstudium abzuschließen, hatte sie sich ein halbes Jahr freigeschaufelt, mit Unterstützung des Theaters, an dem sie als Tänzerin engagiert war: Das Gehalt für ein halbes Jahr Arbeit wurde über ein ganzes gestreckt, war dann wenig, kam aber regelmäßig. Kostbare Zeit, um sich mal nur der Theaterwissenschaft und dem Einfluss der europäischen Theateravantgarde auf die spanische neue Dramaturgie zu widmen. Darüber schreibt Luisa Sancho Escanero ihre Masterarbeit. Es kam dann anders, Plan geändert, Studium verlängert; denn attraktive Arbeitsangebote flatterten ihr ins Haus. Darunter ein großes: die Nachfolge der berühmten Forsythe-Company unter der Leitung des Choreografen Jacopo Godani mit vorzubereiten und zu gestalten als Künstlerische Koordinatorin/Referentin des Künstlerischen Direktors der neuen Dresden Frankfurt Dance Company.

Währenddessen sitzt sie in jeder freien Minute über Brecht, Arrabal, Beckett, Cage, über Tadeusz Kantor, Heiner Müller, Robert Wilson, über Semantik und Semiotik. Liest und schreibt. Sie absolviert ein Fernstudium an der Nationalen Fernuniversität von Spanien, UNED. Als sie am Staatstheater Mainz engagiert war, hatte sie nach Studiengängen gesucht. An einer deutschen Universität würde es wegen der Zugangsprüfungen für sie als Ausländerin zu lange dauern, stellte sie fest. Ein interessantes Programm fand sie in Barcelona, doch ist dessen Abschluss nicht europaweit anerkannt. Bei dem Fernstudium aber doch, und soeben war der Masterstudiengang in theoretischer und interkulturell vergleichender Theaterwissenschaft aufgelegt worden. „Wie für dich gemacht!“, sagten ihre Freunde.

Zunächst war Luisa Escanero skeptisch, wie so etwas online funktionieren würde. „Am Anfang fühlst du dich total allein“, nach einer Weile kam sie gut zurecht mit der Eigenverantwortlichkeit. Der Kontakt zu den Dozenten läuft gut. In ihrem Fach unterrichten ausgewiesene Spezialisten. „Da hatte ich Glück“. Sie studiert jetzt sogar noch Philosophie dazu. Gute Tipps zum Weg in die akademische Welt bekam sie von der promovierten Dramaturgin der (ehemaligen) Forsythe-Company, wo sie phasenweise per Gastvertrag arbeitete. Nach dem Master möchte sie auch promovieren und am liebsten in die Forschung gehen; diese anstrengenden Studienjahre, „schön, aber viel Arbeit, halleluja“, haben den Wunsch nach mehr geweckt.

„Ich wollte nie Assistentin eines Choreografen werden. Nein!“. In der Rolle sah sie sich einfach nicht. Aber Godani war der Richtige für ein „Ja“, sagt sie. Die zwei sind befreundet, sie führten schon, als sie noch Tänzerin war, lange Gespräche, und sie studiert seit einiger Zeit seine Werke bei Kompanien in aller Welt ein. Er bat sie nun um Mitarbeit, „im Studio und draußen“, an seinen Ideen für künstlerische Projekte. Aus dem Studium kann sie Themen einbringen, denn bei der konzeptionell-dramaturgischen Tätigkeit geht es auch um die sprachliche Vermittlung dessen, was der Choreograf im Ballettsaal erschafft, in seinem „Laboratorium“, wie sie es nennt.

Als Luisa Escanero ihre Ballettausbildung abschloss, hatte sie nicht einmal Abitur. „Geht hinaus in die Welt.“, riet ihre berühmte Lehrerin María de Avila in Zaragoza den Absolventen. Das tat die junge Tänzerin. Als sie später mal zwei Jahre lang in Spanien arbeitete, holte sie in sechs Monaten die Abiturprüfungen nach, gemäß einem speziellen Programm für Berufstätige über 25. Sie war 26 und probierte gleich das Studieren aus: Anglistik. „Ich war überrascht. Wow, das geht ja“. Sie habe immer viel gelesen. Dazu kam, ums Jahr 2000 herum, als künstlerische Studiengänge den anderen angepasst wurden und den Hochschulen plötzlich Lehrer fehlten, dass die alte siebenjährige Ballettausbildung als adäquat anerkannt wurde. Luisa Escanero legte dann als erste Tänzerin in Spanien eine Prüfung ab, die, kombiniert mit ihrer Berufserfahrung, als Studienabschluss und Lehrbefähigung galt. Als sie 2010, mit 35 Jahren, das Masterstudium begann, war ihre Überlegung: „Ich kann noch etwa fünf Jahre tanzen, aber ich glaube, ich möchte weiter studieren.“

Doch im Jahr 2011 erhöhte die neue Regierung in Spanien die Studiengebühren um 70 Prozent. Dafür reichte ihr Mainzer Gehalt nicht mehr. Für spanische Stipendien, recherchierte sie, war sie zu alt und zu berufstätig. In Deutschland fand sie die Stiftung TANZ. Eine Freundin half ihr mit den Belegen, Bescheinigungen, Rechnungen für den Stipendiumsantrag. Dreimal insgesamt bekam sie die Unterstützung von der Stiftung. „Das war die Lösung, genau der richtige Tropfen im richtigen Moment“. Selber aktiv sein, nicht erwarten, dass jemand anderes für einen den Weg findet, das sei seit jeher ihre Losung, sagt Luisa Sancho Escanero. Nicht klein beigeben. „Es war kein ruhiger Übergang“, aber sie wolle nicht jammern: „Es war ja meine Entscheidung“.

Sie kennt Kollegen und Kolleginnen, die 15 bis 20 Jahre in derselben Kompanie bleiben. Anders als diese ist sie neue Schritte gewohnt. „Ich habe in zehn Kompanien in acht Ländern in Europa getanzt, daneben auch in freien Projekten“. Leeds, Biarritz, Zürich, Berlin, Madrid, Arnheim, Köln, Mainz. „Ich weiß, ich habe Handwerk, Technik war nie ein Problem“. Doch an einem Haus die Hierarchiestufen hochzuklettern, war von Anfang an nicht ihr Ding, und „das Drumherum“ in den Institutionen setzte ihr zu, der Umgangston. „Ich war immer auf der Suche“, fasst sie die Wechsel zusammen, „nach jemandem oder etwas“. Ein Gefühl, dass es „etwas anderes“ sein sollte oder etwas, das sie sich selber gern auf der Bühne anschauen würde. Diese vielen Schritte auf ihrem Karriereweg möchte sie letztlich auch nicht missen: „Das hält einen am Leben, sich selber neuen Situationen auszusetzen“.

Etwas vom Alten, Gewohnten nimmt sie sich dabei jetzt wieder zur Hilfe: das tägliche Balletttraining. Das habe sie in dem Jahr nach dem Mainzer Engagement vermisst. Die wichtige Tänzereigenschaft, die sie in die nächste Lebensphase mitbringt, nennt sie „stubbornness“, Hartnäckigkeit, dazu „Disziplin, viel Disziplin“. Es gebe da etwas in der Mentalität von Tänzern und Choreografen im Umgang mit Prozessen: nicht aufzuhören, bei der Kreation, beim Suchen oder Üben, bis etwas vollendet ist, „determination“.

 

 

Hans-Georg Lenhart: Versuchung

von Melanie Suchy

Für den Tanz entdeckt wurde der dreizehnjährige Hans-Georg auf einer Disco-Tanzfläche von seiner eigenen Mutter. Sie sah, wie ihr Sohn sich kreativ und frei zur Musik bewegte und ermunterte ihn, doch mal in den Jazzgymnastikkurs der Volkshochschule mitzukommen. „Da war ich der einzige Teenager unter lauter Hausfrauen“. Diese VHS in Duisburg samt ihrer internationalen Tanzworkshops in den Ferien „war mein Tor zur Tanzwelt“, zum Modernen Tanz, sagt Hans-Georg Lenhart heute. Dreißig Jahre später schob er das Tor langsam wieder zu und öffnete gleichzeitig neue.

Nach der Mittleren Reife hatte er damals nur ungefähre Berufswünsche. Seine Tanzlehrerin, ausgebildet an der Folkwanghochschule in Essen, riet ihm, dort vorzutanzen. Mit siebzehn bestand er die Aufnahmeprüfung und hatte keine große Vorstellung davon, was darauf folgen würde. Es packte ihn: „Ich war auf dem Tanztrip“. Schon während des dritten Studienjahres durfte er beim Wuppertaler Tanztheater in „Das Frühlingsopfer / Le Sacre du Printemps“ von Pina Bausch mittanzen. Eine Ehre und „einzigartige Erfahrung“. Inspirierend fand er auch seine Lehrer und eine Menge Mitstudenten, Tänzer wie Rainer Behr, Christiana Morganti, Bernd Marszan, Ruth Amarante und spätere Choreographen wie Urs Dietrich, Livia Patrizi, Gregor Zöllig, Joachim Schlömer. Nach dem Abschluss 1989 ging er nach Brüssel, tanzte dort zwei Jahre projektweise bei der Mark Morris Dance Group an der Oper La Monnaie und in freien Projekten, auch in denen von Schlömer. Als dieser die Leitung der Tanzsparte am Theater Ulm übernahm, ging Lenhart mit.

Sie lösten dort, wie danach in Weimar, das Ballett am Haus ab. Mit Tanztheater. „Wir haben extrem viel gearbeitet, bis zu fünf abendfüllende Uraufführungen in einer Saison, und es hat irrsinnig viel Spaß gemacht“. Er wechselte auch mit nach Basel, doch das freundschaftliche und beruflich enge Verhältnis zu dem Choreografen war abgekühlt. In Amsterdam, seinem neuen Standort, lief ihm der Regisseur Peter Sellars über den Weg, den er aus seiner Zeit mit Mark Morris kannte. Vor Jahren hatte Lenhart sich über dessen Zauberflöten-Inszenierung kritisch geäußert, woraufhin Sellars ihm stundenlang die widrigen Umstände der Arbeit erläuterte. „Dies war der Beginn einer langen Freundschaft“. Jetzt lud Sellars ihn ein, bei seinem Strawinsky-Abend „Biblical Pieces“ für das Holland-Festival 1999 mitzumachen.

Neben Engagements in freien Produktionen in den Niederlanden und in Deutschland choreografierte Hans-Georg Lenhart eigene Stücke. Er fand die Arbeit zäh und verzweifelte an der Aufgabe Produzent, Manager und Künstler gleichzeitig sein zu müssen. „Nicht meins“. Er könne am besten aus der zweiten Reihe jemandem zuarbeiten, sagt er. 2001 zog er aus privaten Gründen weiter nach Südfrankreich, verdiente mit Tangounterricht und einer Milonga etwas Geld und pendelte zu Kurzengagements nach Deutschland und England. Auch zu Peter Sellars‘ „Idomeneo“ in Glyndebourne 2003. Mark Morris choreografierte, Dirigent war Sir Simon Rattle. Der gab dem Tänzer Lenhart auf der Bühne das Gefühl zu fliegen: „Ich hatte das Gefühl von grenzenloser tänzerischer Freiheit, Rattle folgte mir, fing mich auf, war immer da.“ Einige Tage später brach ihm bei einem Motorradunfall der Knöchel. Das Ende vom Tanz?

Nein. Er tanzte weiter, aber „das war Murks.“ Eine grundsätzlich Entscheidung stand an, die aber brauchte Zeit und eine Rückkehr nach Deutschland. 2006 zog Lenhart nach Berlin, fasste aber kaum Fuß in der Tanzszene. „Der Körper war angeschlagen, irgendwann wollte der Kopf auch nicht mehr“. Er überlegte, wie seine zweite Karriere aussehen könnte. „Ich bin ja nur Tänzer, sonst kann ich nix.“ Von der Blockade musste er sich lösen. Mit dem Schmerzensgeld, das die Versicherung nach dem Unfall zahlte, machte er eine Massageausbildung. Das Massieren machte ihm Freude. „In der Ausbildung habe ich meine Vorteile ausgespielt: Ich kann gut abschauen, Leute nachmachen, kann mir Sequenzen merken, habe keine Angst vor Kontakt.“ Lenhart arbeitet seitdem als freiberuflicher Masseur in einem Health-Club.

Er dachte bald, „ich mache ja nur Wellness, aber ich will mehr“, nämlich helfen. Doch er schreckte vor der berüchtigt schwierigen Heilpraktiker-Amtsarztprüfung und dem vielen Lernen zurück, denn die Schulzeit war lange her. Erst als eine Tänzerin ihm sagte: „Etwas Neues lernen, das ist doch nicht viel anders, als jeden Tag an der Stange zu stehen: offen bleiben, sich immer wieder überprüfen“. Da meldete er sich bei einer Schule an, schaffte ein Jahr später die Prüfung beim Amtsarzt und konnte sich nun, als Heilpraktiker, bei der Osteopathieschule Deutschland einschreiben. Osteopathie faszinierte ihn, seit er in seinem ersten Folkwang-Studienjahr eine nachdrückliche Erfahrung mit einem Osteopathen gemacht hatte. Später begleitete sie ihn durch seine gesamte Karriere.

Das vierjährige Teilzeit-Bachelor-Studium in Berlin kostet aber Geld; er klopfte also bei der Stiftung Tanz an. Sie wies ihn hin auf die Käthe Dorsch Stiftung, die ihm eine einmalige Unterstützung gewährte. Ein wenig später fand er ein weiteres Stipendium, das ihn seit seinem zweiten Studienjahr unterstützt. Von der Stiftung Tanz konnte er, als er Vater wurde und die Verlängerung seiner Unterstützung unsicher war, ein einmaliges Stipendium bekommen. Seinen Bachelor hat er demnächst abgeschlossen; der Master folgt noch. 2017 wird Lenhart fertig sein, „dann bin ich 50, das passt doch“. All das bewältigt er momentan neben der Arbeit im Fitnesscenter. Um flexiblere Behandlungszeiten vereinbaren zu können, hat er sich zusätzlich in einer Naturheilpraxis eingemietet.

Seit 2010 ist er außerdem Regieassistent bei Peter Sellars für Inszenierungen mit den Berliner Philharmonikern unter der Leitung von Sir Simon Rattle. Es begann mit der „Matthäuspassion“. Als Sellars ihn auch auf der Bühne besetzen wollte, als Christus, sagte er Nein. „The last temptation of Hans-Georg Lenhart“, lacht er. In der Theaterarbeit die Seite zu wechseln war ein logischer Entwicklungsschritt. Den Tanz vermisse er gar nicht, ebensowenig, sich Stücke anzusehen. „Was ich geliebt habe, war nicht nur der Arbeitsprozess, sondern vor allem das gemeinsame Tanzen, wenn Tanz und Musik verschmelzen, dieser besondere Moment, wenn alles Eins wird.“ Wo bleibt diese Liebe in dem neuen Beruf? „Ein Osteopath ist nicht alleine, er hat immer ein Gegenüber; das Gewebe des Patienten, mit dem man arbeitet und in gewisser Hinsicht auch tanzt.“

 

Fione Rettenberger:  Wir haben viel erlebt

von Melanie Suchy

Die Haupt- und Nebenfächer ihres Bachelors sortiert sie nach den ersten Semestern noch einmal um, da sie gemerkt hat, was ihren Neigungen eher entspricht, nämlich die Philologien und die Komparatistik mit ihrem internationalen und interdisziplinären Touch. Fione Rettenberger studiert an der Eberhard Karls Universität Tübingen. Die Dreißigjährige sagt: „Das ist meine Zeit, das Studium“. Der Weg bis dahin, bis sie sich einschreiben durfte, war hart. Jetzt steckt sie ihre ganze Energie und Zeit ins Lernen, was sich für sie wie Freiheit anfühle.

Das Bedürfnis nach Ablenkung oder Faulenzen habe sie da auch gar nicht. Sie genießt es, sich in die unterschiedlichen Themen einzuarbeiten. Disziplin und Fokus sind ihr als Tänzerin ja bestens vertraut. Sie achte auch darauf, sich nicht nur auf die Klausuren hin den Pflichtlernstoff anzueignen, sondern sorgfältig und intensiv in die jeweilige Materie einzusteigen, so dass das Wissen für späteren Gebrauch zur Verfügung stehen wird. Das ist die Perspektive, die sie aus ihrer bisherigen Berufserfahrung mitbringt.

Auch etwas anderes brachte sie von früher mit: dass sie bestimmte klassische Ballett-Kompositionen Ton für Ton kennt, „ich habe sie tausendmal auf der Bühne erlebt, gefühlt“. Das hatte sie dem Dozenten der Musikwissenschaft voraus. Neu war ihr dann, harmonische Strukturen und Bauprinzipien der Stücke erklärt zu bekommen. Da bekam sie ihr „Schweizer-Käse-Prinzip“ bestätigt, das Empfinden, mit dem Studium ihre „Löcher“ zu stopfen, so dass sich ihr ein – immer faszinierenderes – Gesamtbild von der Welt erschließe.

Durch ihr Elternhaus in Stuttgart ist ihr das Akademische vertraut. Lesen, Dinge durchdenken, Schreiben. Als Fünfzehnjährige beschloss sie, Tänzerin zu werden, zog aus, ließ sich in Mannheim, London und Hamburg ausbilden, hatte mit zwanzig ihr erstes Engagement. Als sie aber nach sieben Jahren im Beruf an die Universität gehen wollte, zählte ihr Ballettabschluss im akademischen System nichts. Davor hatten die Tanzpädagogen den Teenager nicht gewarnt. Gegen Ende ihrer letzten Anstellung als Tänzerin, am Staatstheater Wiesbaden, absolvierte sie deshalb als Ergänzung ein zweijähriges sozialwissenschaftliches Bachelor-Fernstudium an einer Londoner Universität. Dem trauten die deutschen Behörden aber nicht. Fione Rettenberger erinnert sich ungern an die Kämpfe um die Studienzulassung. Am Telefon wurde sie verlacht, erzählt sie bitter, „haha, Sie wollen studieren?“ oder sie solle sich doch mit einem Sportstudium begnügen. In einzelnen Bundesländern musste sie Studienzulassungsprüfungen machen, in Gesprächen mit Fachstudienberatern endlich stieß sie auf Verständnis. Bei ihrer ersten Klausur an der Uni fehlte ihr nur ein halber Punkt zur maximalen Punktzahl. „Darauf bin ich ein bisschen stolz. Geht doch!“

Nach Plänen und Interessen für die Zeit nach dem Tänzerberuf hat sie früher ihre Kollegen ab und zu befragt. „Tänzer gehen ja mit offenen Augen durchs Leben, sind beobachtende Menschen“. Aber übers Berufsende sprechen sie nicht freiwillig. Wer rede schon vom eigenen Tod, vergleicht sie kühn. Ihr selber fiel der Abschied auch nicht leicht. Ende 2010 erlitt sie einen schweren Autounfall, schaffte aber den Weg zurück in den Ballettsaal und auf die Bühne. Ein halbes Jahr später hing eine Workshopankündigung der Stiftung TANZ im Theater aus; mit einem Kollegen fuhr sie heimlich, für einen „Urlaubs“-Tag, nach Berlin. Ihr gefiel die Offenheit, über Möglichkeiten nachzudenken und behielt auch die Informationen zu Bafög-Altersgrenzen im Kopf: dreißig fürs Erststudium. Als Heike Scharpff in Wiesbaden in der Zeit des bevorstehenden Intendanten- und Choreografenwechsels einen Info-Vortrag hielt, traf sich die Tänzerin mit ihr anschließend in der Kantine. „Das Schlüsselgespräch“ nennt sie es heute, als sie der Psychologin erzählte, dass zu den körperlichen Schmerzen nach dem Unfall auch die seelischen kamen, sich als Tänzerin angreifbar zu fühlen. Die Antwort: Aufhören. Sie war ihr „Befreiungsschlag“. An sie hatte sie sich vorher nicht herangetraut, identifizierte sie sich doch mit dem Beruf; „er ist ein Lebensinhalt“, kein Job, um bloß die Miete zu zahlen, sagt sie, „auch wenn es vielleicht nach Floskel klingt“.

Auf die Ermutigung des Workshops hin, mit offenen Augen rechts und links von Ballettsaal und Bühne zu schauen, was es noch so gibt, machte Fione Rettenberger nach dem Auslaufen ihres Vertrags Praktika. Zunächst in Wiesbaden, im Ballettbetriebsbüro, dann in der Dramaturgie, wo sie für ein Sonderprojekt Texte fürs Programmheft schrieb und den choreografisch-gedanklichen Hintergrund ihres ehemaligen Chefs Stephan Thoss verstehen lernte, „ein riesengroßes Geschenk“. Nach sechs Wochen beim Schleswig-Holstein-Musikfestival wollte man sie in der dortigen Dramaturgieabteilung gleich dabehalten. Aber sie wollte studieren, den Horizont im Kopf erweitern, ein „Mehr“, aus dem sie später schöpfen könnte. Eine Festival-Kollegin riet ihr noch vom Fach Kulturwissenschaft ab, praktikabler sei Musikwissenschaft. Inzwischen hält sie, nach Gesprächen mit Nachbarn, die Entwicklungshelfer sind, einen Berufsweg ins internationale Feld nach dem Studium für möglich.

Die Zufälle. Mit dem Wunsch nach Bewegung, den ihr Laufen, Schwimmen, Pilates nicht optimal erfüllten, landete sie in Tübingen in einem privaten Tanzstudio, „ein bisschen mittrainieren“. Dessen Leiterin heuerte sie gleich als Ballettlehrerin an. Was sie nie werden wollte! Aber jetzt: „Ich wusste nicht, dass ich das Tanzen so liebe und dass ich es auch so gern unterrichte“. Gerade die jungen Erwachsenen. Ihr wiederum hilft der Nebenjob, das unangenehme Gefühl des „Anfängertums“, des Niemandseins, der Verlorenheit im Studium zu relativieren, indem sie sich als Expertin für etwas erweist. Sie tanzte sogar, trotz anfänglichen Zögerns, wieder öffentlich, bei einem kleinen Konzert mit Gregorianischen Chorälen. „Das war cool“. Sie lacht. „Es ist nicht alles vorbei, wenn man sagt, es ist vorbei“, so würden sogar ein paar alte Wunden heilen.

Als Thema für ihren englischen Studienabschluss hatte Fione Rettenberger damals die Tänzer-Transition gewählt, hatte Bekannte interviewt und viel gelesen. Damals stieß sie auf das Buch „Wir haben viel erlebt“ mit einer Ballettmeisterin, Jahrgang 1924, auf dem Cover.  Ältere Menschen nach ihrer Lebenserfahrung zu befragen, kam ihr damals als Idee, und sie erinnerte sich an eine ihrer Ballettlehrerinnen. Die hatte die murrenden 18-Jährigen in Konzerte und Museen geschleppt mit der Ansage „Es gibt nicht nur Tanz!“ Ihre ehemalige Schülerin reiste am Ende ihrer Tänzerinnenkarriere nach Hamburg und bedankte sich bei ihr.