In den letzten beiden Folgen dieser Serie haben wir bereits begonnen darzulegen, wie stark motivationale Variablen unser Verhalten und Erleben in Lern- und Leistungssituationen beeinflussen. Ein bedeutsamer Einflussfaktor ist das im vorletzten Newsletter beschriebene Phänomen der erlernten Hilflosigkeit. Im letzten Newsletter erläuterten wir, wie Hilflosigkeit mit den Ursachen, die wir für unsere Leistungen verantwortlich machen zusammenhängt, den sogenannten Attributionen. Heute soll es darum gehen, welche längerfristigen motivationalen Orientierungen aus diesem Erleben resultieren können, die dann langfristig einen Einfluss auf unser Verhalten bei der Verfolgung von Zielen ausüben. So entwickelte die Forschergruppe um Carol Dweck (Dweck, 1986) einen Forschungsansatz, der seinen Ursprung in der Hilflosigkeitsforschung findet. Sie untersuchten das Verhalten von Kindern in Lern- und Leistungssituationen und konnten zeigen, dass diese trotz objektiv gleicher Fähigkeit unterschiedlich auf Misserfolge reagierten, nämlich entweder mit meisterndem oder aber mit resignativ-hilflosem Verhalten und Vermeidung. Dweck und Kolleginnen stellten die These auf, dass diese unterschiedlichen Reaktionen maßgeblich durch unterschiedliche Ziele, die verfolgt werden, erklärt werden können. Sie sprechen hier von zwei unterschiedlichen motivationalen Orientierungen, die sie Lernziel- bzw. Leistungszielorientierung nennen. Während es für lernzielorientierte Individuen in Lern- und Leistungssituationen maßgeblich darum geht, ihre Kompetenz zu steigern und neue Sachen hinzu zu lernen, streben leistungszielorientierte danach, möglichst hohe Kompetenz zu demonstrieren (Annäherung) oder aber die Demonstration niedriger Kompetenz zu umgehen (Vermeidung) (siehe hierzu z.B. Spinath & Stiensmeier-Pelster, 2003). Dass diese Einstellungen einen ganz wesentlichen Effekt darauf haben, wie wir uns in Leistungssituationen verhalten und wie unsere Performance ausfällt, wird anhand der folgenden Beispiele deutlich: Demnach wird ein lernzielorientierter Schüler, dem es maßgeblich darum geht seine Kompetenz zu steigern, im Unterricht Fragen stellen oder aber um Hilfe bitten, wenn er eine Aufgabe nicht lösen kann und dadurch gute Chancen haben sich weiter zu entwickeln. Ein leistungszielorientierter Schüler hingegen, wird es vermeiden nachzufragen, um keine niedrige Kompetenz zu demonstrieren, wodurch sich sein Verständnisproblem nicht löst und im ungünstigen Fall langfristig potenziert. Mittlerweile konnte die Forschung vielfältige bedeutsame Variablen identifizieren, die von der Zielorientierung beeinflusst werden, darunter Interesse, intrinsische Motivation, Beteiligung im Unterricht, Attributionen oder auch das Aufsuchen von Hilfe (vgl. Schöne, 2007). Selbstverständlich gibt es bestimmte Situationen (ein sehr klassisches Beispiel ist eine Audition), die in ihrem Kern einen leistungszielorientierten Charakter aufweisen. Dies lässt sich nicht immer vermeiden. Dennoch kann es hilfreich sein, sich vor Augen zu führen, wie unser Verhalten, Erleben und eben auch unsere direkte Leistung von solchen Faktoren beeinflusst wird. In Bezug auf die eigene Einstellung und überdauernde Zielorientierung lässt sich festhalten, dass Lernzielorientierung, also das Streben nach Erweiterung der eigenen Kompetenz im Gegensatz zum Streben nach der Demonstration von Kompetenz (Leistungszielorientierung) mit adaptiveren Kognitionen, Emotionen und Verhaltensweisen einhergeht, was wiederum die Grundlage für gute Leistungen bildet (vgl. Metaanalyse von Utman, 1997 zum positiven Zusammenhang von Lernzielorientierung und Leistung).
Dweck, C. S. (1986). Motivational processes affecting learning. American Psychologist, 41, 1040 – 1048. Schöne, C. (2007): Zielorientierung und Bezugsnormpräferenzen in Lern- und Leistungssituationen. Dissertation JLU Gießen. Spinath, B. & Stiensmeier-Pelster, J. (2003): Goal-orientation and achievement: The role of ability self-concept and failure perception. Learning and instruction, 13, 403 – 422. |